Die vier Sonnen …

D. Bentzin, Die vier Sonnen

Farbillustration, Tusche, 16 x 23 cm, 2002

Vor langer, langer Zeit, als die Erde noch jung und das Weltall noch nicht fertig war, trafen sich vier mächtige Götter. Sie beschlossen, der Erde eine Sonne zu geben. Doch über die Farbe der Sonne konnten sie sich nicht einig werden. Der eine verlangte, dass sie blau, der andere, dass sie rot, der nächste, dass sie weiß und der letzte, dass sie schwarz scheinen solle. Schließlich wussten sie sich keinen anderen Rat als den, dass jeder von ihnen eine Sonne schaffen und dieser auch seine Farbe geben sollte. Als erster war Tlaloc an der Reihe, der blaue Regengott, der den südlichsten Zipfel des Himmelsgewölbes bewohnte. Er schuf die Sonne des Wassers, die leuchtete blau, und blau wurde auch die Erde, und es regnete und regnete. Nach einiger Zeit aber war so viel Wasser auf der Erde, dass selbst die blaue Sonne in den Wassern ertrank. Nur die Fische überlebten die große Flut.Nun meldete sich der Feuergott Xipe Totec vom östlichen Himmelsgewölbe. Er blickte eine Weile in die große Flut und ließ nichts unversucht, dass seine Sonne, die rote Sonne des Feuers, allezeit leuchtete. Aber die Erde begann unter den knisternden Flammen seiner Sonne zu brennen, und als die Flammen höher und höher schlugen, verbrannte in ihnen auch die rote Sonne. Nur die Vögel retteten sich aus dem großen Feuer.Nun schuf Quetzalcoatl, der weiße Gott des westlichen Himmelsgewölbes seine Sonne. Und alles schien gut zu gehen, es gab weder Regen noch Hitze. Doch auf einmal kam ein Wind auf, der wurde stark und stärker und fegte schon bald alles Lebendige, und auch die weiße Sonne hinweg.Teczatlipoca, der Gott des nörlichen Himmelsgewölbes, hatte den Wind angetrieben, um seine Sonne, die Sonne der Jaguare schaffen zu können. Doch kaum hatten deren schwarze Strahlen die Erde berührt, da stürzten aus allen Himmelsrichtungen Jaguare herbei, die würgten und töteten mit ihren scharfen Krallen alles Lebendige, die lauerten selbst der schwarzen Sonne auf und zerissen sie mit ihren Krallen in tausend Stücke.So zog wieder Finsternis auf der Erde ein, und die Götter überlegten, wie sie die fünfte Sonne schaffen sollten.

Aus: Die fünfte Sonne, Indianerlegenden Mittel- und Südamerikas,ARTIA-Verlag, Prag 1976